Seit dem 1. Oktober 2016 gilt in Frankreich ein neues Vertragsrecht (loi du 16 février 2015 et l’ordonnance du 10 février 2016). Im Code Civil wurden im Rahmen der Vertragsrechtsreform ungefähr 320 Artikel abgeändert.
Die neuen Bestimmungen finden auf Verträge, die nach dem 1. Oktober 2016 abgeschlossen werden, Anwendung. Für Verträge, die vor dem 1. Oktober 2016 abgeschlossen wurden, gelten die Bestimmungen vor Einführung der Vertragsrechtsreform weiter und das unabhängig von der jeweiligen Vertragslaufzeit (mit Ausnahme der neuen Artikel 1123, 1158 und 1183 Code Civil).
Allgemeine Grundsätze der Vertragsrechtsreform:
Im Mittelpunkt der Vertragsrechtsreform steht die Verstärkung des zwingend von den Vertragsparteien einzuhaltenden Grundsatzes nach Treu und Glauben (nun kodifizierte „ordre public“ Vorschrift). Direkter Ausfluss dieses Grundsatzes ist nun die erweiterte gegenseitige Aufklärungspflicht der Vertragspartner und dies bereits während der Vertragsverhandlungen (Art. 1112-1 Code Civil). Sollte diese nicht beachtet worden sein, kann dies den späteren Rücktritt vom Vertrag zur Folge haben.
Dies gilt für Handelsgeschäfte natürlich genauso wie für Vertragsabschlüsse mit Privatpersonen (bei denen jedoch zwingend anwendbare Verbraucherschutzregelungen die jeweils schwächere Partei schon seit Jahren schützen).
Darüber hinaus wurde die sog. „cause“, d.h. der „Vertragsgrund“ komplett gestrichen und durch das „consentement des parties“, d.h. der dem deutschen Recht entsprechenden übereinstimmenden Willenserklärung ersetzt.
Ebenfalls finden sich nun endlich im Code Civil Regelungen zum gesetzlichen Rücktrittsrecht, dem Wegfall der Geschäftsgrundlage (gab es bereits schon im öffentlichen frz. Recht) wie ebenfalls der Minderungsmöglichkeiten.
Insgesamt sind die Neuerungen im französischen Vertragsrecht sehr zu begrüssen. Sie vereinfachen das frz. Vertragsrecht erheblich. Diese Regelungen sollten besonders von Firmen im internationalen Warenverkehr beachtet werden und zwar bereits ab Vertragsanbahnung.
Das Leistungsverweigerungsrecht:
Im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben wurde nun auch das Leistungsverweigerungsrecht kodifiziert.
Nach Art. 1134 Code Civil galt bisher (seit dem 1. Oktober 2016 durch Art. 1103 et 1104 Code Civil ersetzt), dass Verträge, die rechtmässig vereinbart wurden, verbindliche Wirkung zukommt.
Sollte das Vertragsverhältnis gegenseitige Hauptleistungspflichten beinhalten (z.B. Lieferung gegen Zahlung), spricht man von einem synallagmatischen Rechtsverhältnis. In diesem Fall ist jede Partei sowohl Gläubiger wie auch Schuldner einer gewissen Leistungsverpflichtung. Das hat zur Folge, dass die eigene Leistungspflicht nur dann besteht, wenn die andere Vertragspartei ebenfalls ihrerseits der eigenen Leistungsverpflichtung nachkommt.
Sollte daher eine Vertragspartei seiner Hauptleistungspflicht nicht nachkommen (z.B. es fehlt die Lieferung) kann die andere Vertragspartei das Erbringen der eigenen Leistungspflicht ebenfalls verweigern. Man spricht sodann von einem Leistungsverweigerungsrecht (d’exception d’inexécution). Dieses gilt hingegen nicht bei Verletzung von Nebenleistungspflichten (z.B. Lieferung erfolgt erst 2 Std. später).
Bisher war in Frankreich dieses Prinzip nicht kodifiziert sondern wurde direkt aus Art. 1134 Code Civil hergeleitet.
Vor der Vertragsrechtsreform fanden sich Ansätze des Leistungsverweigerungsrechtes lediglich beim Kaufvertrag (1612 Code Civil) wie ebenfalls beim Tausch (1704 Code Civil). Die frz. Rechtsprechung hat die Grundsätze des Leistungsverweigerungsrechtes jedoch bereits auch schon vor der Vertragsrechtsreform auf alle synallagmatischen Verträge angewendet.
Juristische Folge bei Anwendung des Leistungsverweigerungsrechtes durch eine Partei ist die Aussetzung der eigenen Leistungspflicht.
Das Leistungsverweigerungsrecht wir in der Praxis angewendet, um entweder den Vertragspartner zur eigenen Leistungspflicht zu zwingen oder die eigene Leistungspflicht selbst auszusetzen. Natürlich kann dies ebenfalls die Aufhebung des Vertragsverhältnisses zur Folge haben.
Es ist bei der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechtes ferner zwingend zu beachten, dass ebenfalls das Verhältnismässigkeitsprinzip beachtet werden muss. Die Einhaltung dieses Grundsatzes, der von der frz. Rechtsprechung eingefordert wurde (z.B. Cour d’Appel de Paris, 28 janvier 2015, RG n°10/15692) findet nun seinen Niederschlag in den neuen Artikeln 1219 und 1220 des Code Civil:
Article 1219 Code Civil : « Une partie peut refuser d’exécuter son obligation, alors même que celle-ci est exigible, si l’autre n’exécute pas la sienne et si cette inexécution est suffisamment grave. »
Article 1220 Code Civil : « Une partie peut suspendre l’exécution de son obligation dès lors qu’il est manifeste que son cocontractant ne s’exécutera pas à l’échéance et que les conséquences de cette inexécution sont suffisamment graves pour elle. Cette suspension doit être notifiée dans les meilleurs délais. »
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Eine Information von ALARIS AVOCATS.