Coronavirus – Aussetzung des Vertrags und/oder Vertragsanpassung und/oder Rücktritt vom Vertrag nach frz. Recht ?
Aussetzung des Vertrags/Rücktritt vom Vertrag wegen „Höherer Gewalt“
In Frankreich wird das Coronavirus Covid-19 rechtlich als „Höhere Gewalt“ eingestuft, wie es der Wirtschaftsminister Bruno le Maire öffentlich in seiner TV Ansprache am 28. Februar 2020 betont hat. Er hat sich bei seiner Ansprache jedoch (nur) auf öffentliche Aufträge bezogen mit der Folge, dass aktuell bei Vorliegen einer Verhinderung des privaten Vertragspartners aufgrund des Virus von öffentlichen Auftraggebern keine Penalitäten geltend gemacht werden können.
Es stellt sich natürlich die Frage, ob dies auch bei privaten Aufträgen zwischen Geschäftsleuten gilt (z.B. wenn aufgrund des Coronavirus eine Messe abgesagt wird oder der chinesische Lieferant nicht liefern kann und hierdurch der Importeur selbst in Lieferschwierigkeiten gerät).
Zunächst sollte im Vertrag geprüft werden, ob keine Ausschlussvorschriften bestehen, da „Höhere Gewalt“ – keine sog. „ordre public“ Vorschrift – zwischen Kaufleuten auch vertraglich abgegolten bzw. neu definiert werden kann.
Sollte dies nicht der Fall sein gilt die Rechtsprechung und das Gesetz, vor allem Art. 1218 Code Civil, der besagt:
„Im Vertragsbereich liegt höhere Gewalt vor, wenn ein Ereignis außerhalb der Kontrolle des Schuldners vorliegt, das bei Vertragsschluss nicht vernünftigerweise vorhersehbar gewesen wäre (1) und dessen Auswirkungen durch geeignete Maßnahmen (2) nicht vermieden werden können und die Erfüllung seiner Verpflichtung verhindert.
Wenn das Hindernis nur vorübergehend ist, wird die Vertragserfüllung (zunächst) ausgesetzt, es sei denn, die daraus resultierende Verzögerung rechtfertigt die Beendigung des Vertrages. Wenn das Hindernis endgültig ist, wird der Vertrag automatisch gekündigt und die Parteien werden unter den in den Artikeln 1351 und 1351-1 Code Civil vorgesehenen Bedingungen von ihren gegenseitigen Verpflichtungen befreit.“
(1) Aktuell (März 2020) kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Coronavirus-Epidemie bei Vertragsschlüssen zu Beginn des Jahres oder davor nicht vernünftigerweise vorhersehbar war. Das gilt jedoch wohl nicht, wenn Verträge in voller Kenntnis der Epidemie nun aktuell unterzeichnet werden.
(2) Zusätzlich müssen dessen Auswirkungen nicht durch geeignete (Gegen-)Massnahmen vermieden werden können. Das ist jeweils eine Einzelfallentscheidung der Gerichte und wurde bespielsweise beim harmloseren Chikungunya Virus verneint. Ferner wird dies bei reinen Zahlungsverpflichtungen ebenfalls schwieriger nachzuweisen sein (so auch Cours d’appel Paris du 17/03/2016 n°15/04263 oder ebenfalls CAA Douai du 28/01/2016, n° 15DA01345).
Wichtig ist festzuhalten, dass die frz. Gerichte im Rahmen der Einzelfallbetrachtung jeweils erwägen, ob das Vorliegen von Höherer Gewalt blosser Vorwand oder auch tatsächlich Hinderungsgrund ist (siehe auch Cours d’appel Paris du 26/09/2018 n°15/09123).
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Anpassung des Vertrags/Rücktritt vom Vertrag wegen „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“
Unabhängig davon besteht natürlich alternativ auch die Möglichkeit, in der aktuellen Situation des Coronavirus einen „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ zu sehen. Dieser liegt nach Art. 1195 Code Civil vor:
„Wenn eine unvorhersehbare Änderung der Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Ausführung für eine Partei, die sich nicht bereit erklärt hatte das Risiko hierfür zu übernehmen, unverhältnismässig belastet, kann diese von ihrem Vertragspartner eine Nachverhandlung des Vertrags verlangen. Sie erfüllt ihre Verpflichtungen während der Nachverhandlung weiterhin.
Im Falle der Ablehnung oder des Scheiterns der Nachverhandlung können die Parteien der Vertragsbeendigung zu den von ihnen festgelegtem Zeitpunkt und Bedingungen zustimmen oder den Richter einvernehmlich auffordern, diesen (Vertrag) zu ändern. Wird die Vereinbarung nicht innerhalb einer angemessenen Frist getroffen, kann der Richter auf Antrag einer Partei den Vertrag zu dem von ihm festgelegten Datum und Bedingungen ändern oder kündigen.“
Wie bereits bei der Höheren Gewalt ist auch in diesem Fall der Vertragsinhalt ausschlaggebend, da der Wegfall der Geschäftsgrundlage unter Kaufleuten rechtlich ausgeschlossen werden kann.
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Eine Information von ALARIS AVOCATS.
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