Neuerungen bei französischen Ausschreibungsverfahren.
Die Regelungen zur öffentlichen Ausschreibung in Frankreich wurden mit ordonnance n°2015-899 vom 23. Juli 2015 umfassend verändert. Somit ist in Frankreich seit dem 1. April 2016 das seit 2006 bestehende und 2009 abermals abgeänderte Vergaberecht in bisheriger Form nicht mehr anwendbar. In diesem Beitrag erfahren Sie mehr über Schwellenwerte bei Öffentlichen Aufträgen in Frankreich 2016, die Vereinfachung der Vergabeverfahren unter den Schwellenwerten (MAPA) sowie Zahlungsfristen und Verzugszinsen in Frankreich 2016.
Die Regelungen zur öffentlichen Ausschreibung wurde durch décret (n° 2016-36) vom 27. März 2016 ins französische Recht umgesetzt, vgl. www.legifrance.gouv.fr
Ein komplett neues französisches Vergabegesetzbuch, das 17 unterschiedlich Gesetzestexte zusammenfassen, nach öffentlichen Aufträgen und Konzessionen unterscheiden und ca. 200 Seiten parallel geltende Gesetzestexte abschaffen soll, wird für Ende 2016 erwartet. Es ist darüber hinaus auch aktuell zu begrüssen, dass der Text des oben genannten Dekrets, welcher in das neue Vergabegesetzbuch 2016 übernommen wird, nun wesentlich klarer ist und sich auch mehr an den europäischen Vergaberechtswortlaut anlehnt.
Grund der aktuellen Reform ist, neben der zwingenden Umsetzung europäischer Richtlinien im französischen Vergabebereich (directive 2014/24/UE, 2014/25/UE und 2014/23/UE), vor allem, für die Bieter die öffentliche Vergabe in Frankreich wesentlich zu erleichtern, kleinere und mittlere Unternehmen mehr zu unterstützen und soziale und ökologische Gesichtspunkte nun mehr zu gewichten. So ist zu anzumerken, dass bisher kleine und mittlere Unternehmen oftmals wenig Chancen hatten, interessante öffentliche Aufträge in Frankreich zu erhalten (weniger als 30 % bei Vergabeauftragsvolumen von immerhin mehr als 75 Mrd. Euro).
Es sollen nun die öffentlichen Ausschreibungen so gestaltet und aufgeteilt werden (d.h. der Hauptauftrag wird tatsächlich in Einzellose aufgeteilt), dass nun auch kleinere und mittlere Unternehmen sich zumindest für ein oder mehrere Lose bei den öffentlichen Aufträge bewerben können. Bei PPP Projekten (ca. 155 PPP Projekte in Frankreich seit 2004), bei dem nun eine Vorprüfstufe eingebaut wurde und die Komplexität des Auftrages als Voraussetzung nicht mehr allein ausreicht, muss sogar ein Teil ausschliesslich den kleineren und mittleren Unternehmen zugeteilt werden.
Bemerkenswert sind ebenfalls Neuerungen im Vergabeverfahren zur Bewertung und Ausscheiden ungewöhnlich niedriger Angebote von Bietern (auch der Subunternehmer) und die Möglichkeit der öffentlichen Auftraggeber, soziale und vor allem ökologische Vorgaben vorzuschreiben. Dies gilt vor allem nun auch für Konzessionsverträge.
Schwellenwerte bei Öffentlichen Aufträgen in Frankreich 2016
Die Schwellenwerte bei öffentlichen Aufträgen in Frankreich werden von der europäischen Kommission alle zwei Jahre neu festgesetzt und per Dekret sodann in das französische Recht umgesetzt.
Ab 1. Januar 2016 gelten in Frankreich mithin folgende Schwellenwerte:
– 135 000 € ohne MwSt. für Liefer- und Dienstleistungen des Staates ;
– 209 000 € ohne MwSt. für Liefer-und Dienstleistungen der territorialen öffentlichen Körperschaften (Gemeinde, Region, Département) ;
– 418 000 € ohne MwSt. für Liefer-und Dienstleistungen im Verteidigungsbereich und bei bestimmten Auftraggebern (z.B. Energieunternehmen, kommunale Wasserwerke, etc …);
– 5 225 000 € ohne MwSt. für Bauleistungen und Konzessionsverträge.
Ohne besonderes Vergabe- und Ausschreibungsverfahren fallen seit dem 1. Oktober 2015 alle öffentlichen Aufträge, die unter einem Schwellenwert von 25.000 Euro ohne MwSt. liegen (zuvor 15.000 Euro).
Vereinfachung der Vergabeverfahren unter den Schwellenwerten (MAPA)
Sollte die geschätze Auftragshöhe bei öffentlichen Ausschreibungen unterhalb der oben genannten Schwellenwerte liegen, bei denen sodann ein formalisiertes Vergabeverfahren vom öffentlichen Auftraggeber angewendet werden muss, kann dieser eine sog. „Marché à procédure adaptée“ (MAPA), d.h. ein selbst bestimmtes und adaptiertes Vergabeverfahren wählen. Natürlich sind auch bei diesen selbst bestimmten Vergabeverfahren die generell geltenden Verfahrensgrundsätze vom öffentlichen Auftraggeber einzuhalten (z.B. Gleichheit bei der Bewertung der Angebote, Transparenzgebot, etc …).
Die Bekanntmachungsvorschriften wurden bei diesem MAPA – Vergabeverfahren nun modifiziert (unter 90.000 Euro Schwellenwert kann der öffentliche Auftraggeber die Bekanntmachungsform selbst bestimmen, über diesen Schwellenwerten muss im BOAMP und ab Erreichen der oben genannten Schwellenwerte ebenfalls europaweit im JOUE ausgeschrieben werden).
Die Ausschreibungsunterlagen müssen online ab 90.000 Euro den Bietern gratis zur Verfügung gestellt werden. Für gewisse Ausschreibungsunterlagen können nun auch europaweit verwendete Formvorlagen verwendet werden (ab Mitte 2018 für alle öffentlichen Auftraggeber in Frankreich ebenfalls zwingend).
Zahlungsfristen und Verzugszinsen in Frankreich 2016
Der Staat hat sich zum Ziel gemacht, die Zahlungsfristen ab 2017 auf max. 20 Tage zu reduzieren. Bisher gilt bei öffentlichen Aufträgen ein maximales Zahlungsziel von 30 Tagen (mit Ausnahmen von Krankenhäuser und öffentlichen Unternehmen). Sollte nicht innerhalb dieser Frist gezahlt werden fallen automatisch und ohne In-Verzug-Setzung durch Mahnung Verzugszinsen an (+ 40 Euro pauschaler Bearbeitungsgebühr).
Mit folgendem Online-Berechnungssimulator können die anfallenden Verzugszinsen der Höhe nach berechnet werden: https://www.service-public.fr/simulateur/calcul/interets-moratoires. Der Verzugszins selbst beträgt für das 1. Semester 2016 dem Leitzinssatz der europäischen Zentralbank (0,05 %), der um 8 % erhöht wird (d.h. im ersten Semester 2016 ein Verzugszinssatz i.H.v. 8,05 %).
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Eine Information von ALARIS AVOCATS.