Neuerungen bei französischen Kündigungsverfahren.
Das in Frankreich vorgeschaltete Schlichtungsverfahren (phase de conciliation) als erster Schritt eines arbeitsrechtlichen Prozessverfahrens gem. Art. L. 1411-1 Code du Travail wurde seit 7. August 2015 grundlegend verändert. Die Schlichtungsstellen (bureau de conciliation et d‘orientation), welche von jeweils einem Vertreter der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite als ehrenamtliche Richter bzw. Laienrichter geleitet werden, wurden in sog. „bureaux de conciliation et d’orientation“ umbenannt und erhielten ebenfalls gem. Art. L. 1235-1 ff. Code du Travail neue erweiterte Befugnisse.
Wie der Name schon deuten lässt, ist es primäre Aufgabe der Schlichtungsstelle, die Streitparteien zu einem Vergleich zu bewegen. Ferner ist es Aufgabe der Schlichtungsstelle, das Prozessverfahren gem. Art. 1454-1-2 Code du Travail bis zum Klagetermin vor den zuständigen Kammern vorzubereiten. Hierbei können von der Schlichtungsstelle ebenfalls Ermittlungsmassnahmen eingeleitet werden (z.B. Anfrage bei den zuständigen Arbeitsinspektionen).
Sollte eine Partei vor der zuständigen Schlichtungsstelle unentschuldigt abwesend oder von einem Anwalt nicht wirksam vertreten worden sein, kann gem. Art. L. 1454-1-3 Code du Travail nun auch ein Versäumnisurteil ergehen. Das war bisher nicht möglich.
Sollte eine Schlichtung nicht möglich sein, muss die Schlichtungsstelle die Streitsache gem. Art. L. 1454-1-1 Code du Travail nun an die unterschiedlichen Arbeitsgerichtskammern verweisen, d.h. bei einer Kündigung und Einwilligung der Streitparteien nun auch an eine verkleinerte Kammer, die von zwei Laienrichtern geführt wird und innerhalb von max. drei Monaten terminieren muss. Bei schwierigen Rechtsfragen bzw. grösseren Rechtsstreitigkeiten oder bei Einwilligung der Streitparteien kann der Rechtsstreit nun auch an eine grössere Kammer, die von einem Berufsrichter des TGI geleitet wird, verwiesen werden. Es kann aber auch alternativ der Rechtsstreit an die klassische Arbeitsgerichtskammer, wie bisher, verwiesen werden.
Neu ist ebenfalls die Möglichkeit, dass nun auch die Kammern sich bei Verurteilung des Arbeitgebers hinsichtlich der Höhe des Schadenersatzes sich auf ein sog. „Référentiel indicatif“, d.h. eine noch zu erstellende Tabelle mit indikativem Charakter, die Erfahrungswerte aufgrund der Betriebszugehörigkeit, des Alters und der Situation des Arbeitnehmers gem. Art. 1235-1 Code du Travail beinhaltet, stützen können. Beide Streitparteien können auch (gemeinsam) gerichtlich beantragen, dass die Schadenersatzhöhe nach dieser Tabelle bemessen wird.
Unabhängig davon muss der Arbeitgeber natürlich auch die gesetzliche Kündigungsabfindung (indemnité de licenciement légale), die sich nach der Betriebszugehörigkeit bemisst, an den gekündigten Arbeitnehmer bezahlen.
Eine weitere, diesmal zwingende und automatische Begrenzung des Schadenersatzes, die die Arbeitsrichter bei einer unrechtmässigen Kündigung in Frankreich hätten anwenden müssen und den Schadenersatz der Höhe nach begrenzt hätte, wurde vom Conseil Constitutionnel im August 2015 für unzulässig erklärt, da die Mitarbeiterzahl des Unternehmens – im Gegensatz zum Réferentiel indicatf (siehe oben) – als Berechnungsfaktor eingeflossen wäre. Das Verfassungsgericht hat dies als unzulässig betrachtet.
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Eine Information von ALARIS AVOCATS.